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Trauriges Schicksal von "Kampfhunden" Pascha und Dean: Ein Leben hinter Gittern


Diskussion um Hundegesetz
Geboren für ein Leben hinter Gittern

  • Markus Krause, Regio-Redakteur für Hamburg.
Von Markus Krause

Aktualisiert am 03.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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American-Staffordshire-Terrier-Pitbull-Mischling Pascha: Er kam im Alter von etwa drei Jahren ins Tierheim in der Süderstraße. (Quelle: Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.)

Hamburg hat eines der strengsten Hundegesetze in Deutschland. Es benachteiligt viele Hunde und ihre Halter. Eine Reform ist problematisch – aber überfällig.

Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) fordert es schon lange, in diesem Jahr hat sich auch die Linksfraktion in der Bürgerschaft dafür eingesetzt: eine Änderung des Hundegesetzes in Hamburg. Beide sind sich einig, dass das aktuelle Gesetz, welches 2006 in Kraft trat und 2012 letztmalig leicht angepasst wurde, nicht mehr zeitgemäß ist.

Hintergrund des nach wie vor restriktiven Hundegesetzes ist ein Beißvorfall aus dem Jahr 2000, bei dem der damals sechsjährige Volkan von zwei Hunden zu Tode gebissen wurde. Seitdem gilt in der Hansestadt die sogenannte Rasseliste, die Hunde aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit als gefährlich oder nicht gefährlich einstuft. "Die Rasseliste ist nicht wissenschaftlich fundiert. Sie führt aber dazu, dass zahlreiche Hunde völlig zu Unrecht und auch noch legal vorverurteilt werden", sagt Janet Bernhard, 1. Vorsitzende des HTV, auf Anfrage von t-online.

Hamburg verurteilt Hunde aufgrund ihrer Rasse

Bernhard selbst besitzt einen Listenhund. "Bei uns zu Hause in Schleswig-Holstein kann meine Bullterrier-Hündin ein ganz normales Leben führen – sobald ich aber über die Stadtgrenze nach Hamburg komme, gilt sie als gemeingefährlich und muss deshalb Maulkorb tragen und an der kurzen Leine geführt werden", sagt sie. Auch American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier sowie deren Mischlinge gehören zur Einstufung der sogenannten Kategorie-1-Hunde. Aufgrund der möglichen Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist eine Haltung in Hamburg verboten.

Darüber hinaus gibt es mehrere Rassen, zu denen unter anderem Kangale und Rottweiler zählen, die ebenfalls als gefährlich gelten. Freistellungen sind möglich, wenn der Hund einen Wesenstest bestanden hat. Dann dürfen sie auch gehalten werden. Jedoch müssen sie außerhalb der Wohnung dauerhaft an der Leine laufen und einen Maulkorb tragen. Außerdem dürfen sie nicht auf Hundefreilaufflächen.

Diese Einstufung führt dazu, dass eine Vielzahl von Hunden ihr gesamtes Leben im Tierheim verbringen müssen, nachdem sie zum Beispiel beschlagnahmt oder ausgesetzt wurden. Eine Sicherstellung kann dabei schon aufgrund der Rassezugehörigkeit erfolgen, wenn Kategorie-1-Hunde illegal in Hamburg gehalten werden. Aber auch Beißvorfälle können ein Grund sein. Oder es fehlt schlicht das Geld: Für einen "Kampfhund", wie diese Hunde gerne genannt werden, verlangt die Stadt Hamburg eine erhöhte Hundesteuer in Höhe von 600 Euro – pro Jahr. Zum Vergleich: Der reguläre Steuersatz für das Halten von Hunden in der Hansestadt liegt bei 90 Euro.

Pascha und Dean – zwei Schicksale von vielen

Zwei Hunde, die ein solches Schicksal ereilt hat, sind Pascha und Dean. Die beiden "Listenhunde" leben seit vielen Jahren im Tierheim in der Süderstraße in Hamburg. Pascha ist ein American-Staffordshire-Terrier-Mischling, der 2017 seinem Besitzer von den Behörden weggenommen wurde, weil er jemanden gebissen haben soll. Seitdem verbringt er seine besten Jahre im Tierheim, weil er nicht vermittelt werden kann.

Dean ist ein Rottweiler-Pitbull-Mischling, der 2015 vor dem Tierheim in der Süderstraße ausgesetzt wurde. Er hatte alles dabei: Halsband und Leine, Maulkorb und Impfpass. Jemand wollte ihn loswerden. "Dean bräuchte dringend ein Zuhause, damit er Eigenschaften ablegen kann, die er nur im Tierheim zeigt", heißt es vom HTV auf t-online-Anfrage.

Niedersachsen und Schleswig-Holstein als Vorbild für Hamburg

"Das Ziel ist die Abschaffung der Rassehundeliste. Da das in Hamburg eine sehr komplizierte Sache ist und seit dem Tod des kleinen Volkan auch sehr vorurteilsbeladen diskutiert wird, braucht es dafür eine politische und gesellschaftliche Akzeptanz", sagt Stephan Jersch, unter anderem Sprecher für Tierschutz in der Linksfraktion, zu t-online.

Was Jersch als "vorurteilsbeladen" deklariert, ist ein tiefes Trauma der Stadt. Der kleine Volkan wurde damals von zwei frei laufenden Pitbull-Mischlingen an Kopf und Gesicht attackiert. Die Hunde mussten mit mehreren Schüssen getötet werden, der kleine Junge erlag den enormen Verletzungen noch auf der Spielwiese. Hamburg reagierte geschockt.

Ein Blick in die offizielle Statistik über Beißvorfälle im Jahr 2020 zeigt: Die als gefährlich eingestuften Hunde beißen häufiger zu. Und das, obwohl sie deutlich weniger in der Stadt vertreten sind. Allerdings: Auf der Liste erscheinen nicht nur "Kampfhunde". Platz 1 belegt ein rumänischer Hirtenhund. Aber dahinter folgen eben auch Pitbull sowie Staffordshire und Bullterrier. Ein Jahr später führte die Liste ein russischer Schlittenhund an.

Und die Statistik im vergangenen Jahr zeigte auch: Unter den sechs häufigsten Rassen, bei denen es Beißvorfälle gab, tauchen noch zwei auf, die als gefährlich gelten. Angeführt wird die Liste von einem südrussischen Schäferhund.

Aggressives Verhalten ist nicht genetisch bedingt

Die große Frage lautet also: Bestimmt die Rasse das Wesen der Tiere? Ist ein Kampfhund generell gefährlicher? Tatsächlich gibt es genetisch keinerlei Erklärung für aggressives Verhalten. Die Rasse erklärt etwa nur neun Prozent der Unterschiede im Verhalten einzelner Hunde, so Kathrin Roiner von der Freien Universität Berlin zum MDR. "Ist ein Hund aggressiv, liegt das in erster Linie an seiner Erziehung. Sogenannte Listenhunde reagieren nicht aggressiver", ordnet die Expertin ein.

Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: "Wird ein Listenhund falsch gehalten, kann er bei Bissattacken größeren Schaden anrichten als etwa ein Dackel oder Labrador. Die Hunde sind nicht aufgrund ihrer Gene gefährlich, sondern wegen ihrer Kraft und der Folgen, die eine falsche Haltung hervorrufen kann."

Laut Untersuchungen der nationalen Opfer-Informationsseite "dogbite.org" führt der Pitbull-Terrier die US-Statistik zwischen 2005 und 2019 an: Diese Hunderasse ist für 66 Prozent der Todesfälle durch Hunde verantwortlich, berichten die US-Anwälte McLaughlin & Lauricella. In den USA gibt es jedoch keine Rasseliste – dort kommen Pitbull-Terrier und andere als "gefährlich" geltende Hunde ähnlich häufig vor wie Labradore in Deutschland.

HTV: Drei-Punkte-Plan zur Novellierung des Hundegesetzes

Um eine falsche Erziehung zumindest zu erschweren, setzt sich der HTV für ein Drei-Punkte-Konzept ein: ein Heimtierschutzgesetz, das alle Haustiere schützt, einen Hundeführerschein, der die Sachkunde der Halter nachweist, und ein Vermittlungskonzept für die sogenannten "gefährlichen" Hunderassen, das unter anderem einen Wesenstest und eine Kastration vorsieht.

Das würde laut HTV dazu führen, dass nicht nur weniger Hunde im Tierheim landen, sondern auch die "gefährlichen" Hunde – deren Verweildauer im Tierheim in der Regel sehr lang ist – in Hamburg vermittelt werden könnten.

Verwendete Quellen
  • hamburg.de: Hunde halten in Hamburg
  • buergerschaft-hh.de: Drucksache 22/12018 – Evaluation des Hamburgischen Hundegesetzes
  • Anfrage bei Stephan Jersch, Fachsprecher für Umwelt- und Energiepolitik, Landwirtschaft, Tourismus, Tierschutz und Bezirke
  • Anfrage beim Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
  • hamburger-tierschutzverein.de: Informationsseite über Dean
  • hamburger-tierschutzverein.de: Informationsseite über Pascha
  • Hamburger Statistik gem. § 26 Hundegesetz (HundeG) über Beißvorfälle im Jahr 2021
  • Hamburger Statistik gem. § 26 Hundegesetz (HundeG) über Beißvorfälle im Jahr 2020
  • mdr.de: "Stimmt teilweise: Rasse bestimmt Hundeverhalten"
  • ml-law.net: "From 2005 Through 2019, Canines Killed 521 Americans; 66% Of Those Deaths Were Caused by Pit Bulls"
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